Rudolf Scholz | Baltikum
Juli 2008
Umfulana Baltikum-Reise „Von Deutschland nach Tallinn“, Sommer 2008
Auf der Anreise:
Hotel Johst am Schermützelsee halbiert die Strecke nach Danzig und bietet eine entspannte Einstimmung auf unsere Erwartungen für die nächsten Wochen hinsichtlich Ruhe, Wasser, Landschaft, besonderem Essen, Komfort, Entspannung.
22.07.
Hotel Krolewski in Danzig: 1A-Lage; Fußgänger nutzen die kleine Pendelfähre zur Altstadt. Umfulana-Gäste erhalten Zimmerchen über dem Eingang: die langweiligere, aber ruhigere Variante. Hoch aufmerksames und liebenswertes Personal. Erstklassiges Frühstück, ausgezeichnetes Essen nach Karte in stimmigem Ambiente – draußen und drinnen. Dazu die Stadt: Danzigissime.
24.07.
Gospoda Podi – Der Schwarze Schwan in Rydzewo, Masuren: Nach dem mondänen Krolewski in Danzig jetzt das historische Dorfgasthaus mit Anlegesteg und Campingplatz – Variatio delectat. Viele besonders alte Ausstattungsstücke; dafür kein Licht am Bett und kein Haken im Bad, auch keine Stange, kein Papierrollenhalter, kein Zahnputzglas. In der Gastwirtschaft süffiges Bier; vielerlei interessante Speisen, allerdings nur in Polnisch an der Kreidetafel aufgelistet; niemand im Personal, der das dem deutsch-/englischsprachigen Gast verständlich vermitteln kann/will. Alles wirkt hektisch, oberflächlich, uninteressiert. Sehr reiches Frühstück.
Dieses Haus ist sicher ganz untypisch, ein stimmiges Masurenbild zu vermitteln.
26.07.
Der Autofahrer, der Litauen außerhalb der Hauptstraßen bereisen will, stößt an ungewohnte Grenzen: Auf flächendeckende Navi-Programme wird man noch warten müssen. Es gibt zwar brauchbare gedruckte Karten, aber wenig, was auf der Straße real dazu passt: nur unregelmäßig Straßenschilder, zu selten Wegweiser und – besonders schlimm – keine verlässlichen Ortsschilder. So verliert man auf Nebenstrecken und bei kleinen Ortschaften schnell die Orientierung. Das betrifft letztlich auch die Ausschilderung von innerörtlichen Zielen, die für Touristen wichtig sind. Man finde in Judokrante auf der Kurischen Nehrung den Badestrand oder aber, noch aussichtsloser, die Post.
Unter diesen Bedingungen: Fremdling, willst Du von Klaipeda auf die Kurische Nehrung, stell Dich auf nerven- und zeitzehrende Irrfahrten auf der Suche nach der Autofähre ein. Keine ins ungeübte Auge fallende Verkehrsausschilderung, von Piktogrammen hat hier anscheinend noch niemand was gehört; keine Hilfe von Umfulana, falsche Infos in Reiseführern. Was gilt: Hinweisen nach Neringa oder Smiltyne folgen, nicht aus dem Übersee-Fährhafen (Perkelos gatve, ganz im Süden), nicht mehr aus der Altstadt (im Norden) sondern in der Mitte dazwischen aus dem Naujoji (II) perkela (New Ferry Terminal) am Ende der Varneny gatve. Die Frau im Kassenhäuschen sagt einem schließlich auf Deutsch, dass man hier richtig ist.
Gästehaus Prie mariu in Nidden:
Das sagt uns auch die Wirtin im Quartier, das nach diesen Mühen in der Regel recht spät erreicht wird. Sie macht alles wett. Die frühe Buchung war in ein exklusives Haffblickzimmer umgemünzt. Die Gastgeberfamilie verwöhnt die Kunden aus einem fröhlichen Naturell heraus mit aufmerksamer Fürsorge – ein Bruchteil davon wäre ein Segen im Schwarzen Schwan in Rydzewo.
Das Frühstück mit indiduellen Tagesvarianten – nicht überbordend, reichte aber völlig.
So wurden Nehrung, Nidden, Ostsee und Haff unter blauem Baltensommerhimmel ein Erlebnis, wie wir es erträumt hatten – labai aciu.
29.07.
In Lettland: nach Karte fahren ist kein Problem; Nebenstrecken und kleinste Orte sind zuverlässig ausgeschildert.
Kuksu Muiza: Tief im Land nach staubiger Fahrt eine oberdelikate Umfulana-Praline. Der Gutshof ist mit langer Hand wieder zum Leben erweckt worden. Das Haus voller Antiquitäten und modernstem Equipment; stiller See, Park mit penibel gepflegten Anlagen: ein Kleinod. Wunderbare historische Zimmer, dazu supermoderne Bäder und TV mit Satellitenprogrammen aus der ganzen Welt, auch deutsche öffentliche.
Dem Gastgeber, Daniel Jahn, sieht man seine außergewöhnliche Rolle zunächst nicht an. Dabei ist er ein beeindruckender deutscher Gesprächspartner, aufmerksam und stilvoll in der Fürsorge: den Begrüßungssekt im Blumengarten, sein Essen ein Genuss, deutscher Riesling, der Abschlusskaffee auf Fürstenberg-Porzellan auf der Seeterrasse; das Frühstück wiederum ungewöhnlich geschmackvoll für Auge und Gaumen. Ein letztes Zeichen des unaufdringlichen Services wird einem erst bewusst, wenn man schon auf Weiterfahrt ist: Die Frontscheibe des Wagens ist wieder staub- und insektenfrei. Herzlichen Dank.
30.07.
In Riga: Über die Pkw-Anfahrt ins Altstadt-Hotel sollte Umfulana außer den Kartenskizzen mit nicht mehr gültiger Routen-Markierung ein paar Informationen mehr geben. Die Einfahrt in die Altstadt ist nur über einige Schranken möglich. Es kostet Gebühren, die von den Hotels übernommen werden. Selbst die E-Mail-Antwort des Hotel Gutenberg verwirrt, statt zu helfen: Man solle zum „Polish Gate“ fahren und von der dortigen Schranke das Hotel anrufen; dieser englische Straßenname steht natürlich auf keinem Stadtplan oder Straßenschild, sondern „Polu gate“.
Ein Vorteil: Hat man den Wagen erst mal in der Altstadt, parkt er dort relativ sicher und gebührenfrei.
Hotel Gutenberg schickt die Umfulana-Gäste gegen ihren Willen trotz seit Monaten bestätigter Buchung weiter ins *****Grand Palace Hotel – durchaus ein Erlebnis, getrübt durch die überlastete Klimaanlage unter den hochsommerlichen Bedingungen.
01.08.
In Estland gelingt es wieder nicht immer, kleinere Ziele über die Straßenkarte anzusteuern.
Villa Ammende in Pärnu imponiert als stimmiges Jugendstilobjekt. Als Hotel irritiert es den nicht auf Luxus abonnierten Reisenden eher durch übertriebenen Einsatz von Personal mit weißen Handschuhen. Der Frühstückskaffee wird tassenweise serviert.
Dabei erlebt sich der Umfulana-Reisende doch letztlich als Gast aus dem Hinterhaus: Zwar ist auch das Gärtnerhaus stilrein möbliert, es fehlt aber eine gemütliche Sitzsituation für zwei. Es gibt auch den Begrüßungssekt im Kühler und den Obstkorb. Dagegen zählen der Contai-ner vorm Fenster, das Ambiente von Parkplatz und Entsorgung, die Geräusche der Küchen-kühlung. Wertung also ambivalent: Es dürfte durchaus ein anderes preiswerteres der zahl-reichen Hotels mit gutem Standard sein – und in der Villa geht man mal essen.
Pärnu gefällt als grüner, kultivierter Badeort mit langem, breitem und flachem Strand, reduziertem Rummelfaktor und sehenswerter Architektur im Villenviertel. Wir würden jedoch die-sen Stop auch durchaus zugunsten eines längeren Saaremaa-Aufenthaltes opfern.
03.08.
Auf Saaremaa angekommen, sollte man den Reiseführer-Vorschlägen folgen und sich über nördliche Nebenstraßen und deren Sehenswürdigkeiten auf Kuressaare vorarbeiten.
GOSPA in Kuressaare, ein attraktives Wellness-Hotel: sehenswerte Lage, prima Standard in Ausstattung und Komfort, unaufdringlicher Service, ausgezeichnetes Restaurant und Frühstück, eine breite Wellness-Palette.
Schade, schade, schade: Nachdem wir uns auf diese tolle Insel vorgearbeitet haben, warum dürfen wir nicht länger bleiben? Die Umfulanagäste treffen am Sonntagnachmittag ein, akklimatisieren und orientieren sich, was hier so läuft. Am Montag pausiert das Personal der besonderen SPA-Angebote im Hotel. Am Dienstag fährt man früh wieder zur Fähre. So kann man weder im Wellness-Programm schnuppern noch ansatzweise der Vielfalt dieser wunderbaren Urlaubsinsel mit ihren Landschaften, dem Wasser, den Orten, Biotopen mit Fauna und Flora, ihren Menschen mit Geschichte und Kultur gerecht werden. D.h., ohne schon in Kalvi, Sigulda und Dikli gewesen zu sein: wir würden durchaus auf einige Stationen des Edelhotel-Hoppings verzichten, um wie auf der Kurischen Nehrung an einigen Orten vertrauter zu werden und vorübergehend zur Ruhe zu kommen.
05.08.
Taanilinna-Hotel in Tallinn: Die Großstadt ist im Navi verkartet, also baggert uns unsere „Karin“ unverdrossen bis auf den fürsorglich vorgebuchten Hotelparkplatz; alternativ bräuchte das Cockpitpersonal starke Nerven und eine sehr genaue Stadtkarte.
Das Hotel mit Restaurant in allem o.k.; sehr reiches Frühstück. Zimmer 31 bietet schon den Blick auf einige Altstadttürme. Dafür gibt’s ungewohnte Resonanzen aus dem Badezimmer, an dessen Außenwand Wärmetauscher der Klimaanlage arbeiten.
Ebenso wie Riga ist diese Stadt mit ihrem Welterbestatus grandios; beeindruckend auch der Stil der dort lebenden Menschen. Allerdings haben wir auch nirgendwo in Europa eine derartige Touristendrängelei erlebt, wie hier – bei jedem Wetter.
07.08.
Kalvi Manor Hotel: Alles sehr edel auf alt – aber vieles wirkt doch etwas aufgesetzt; man wird den Gedanken an den Betonkern nicht los. Der versprochene Abstieg zum Meer ist zuge-wachsen und weit. Der Fußgänger erreicht es sowieso nicht: Er gibt sich längst vorher den Mücken geschlagen.
Bei der Weiterfahrt aus diesem Quartier erschließen sich neue Facetten des Landes: die Zementindustrie um Rakvere und der Peipussee mit seinen stillen Dörfern.
08.08.
Auch in Sigulda wird an diesem Tag geheiratet.
Hotel mit Restaurant Aparjods: nachdem von Vorreisenden eine uns unbekannte Villa als indiskutabel eingestuft worden war, ist auch dies keine überzeugende Lösung. Der Lärm von der Hauptstraßenkreuzung kommt Gott sei Dank in den Zimmern nicht an. Dafür aber die Lauf- und Sanitärgeräusche von oben, unten und nebenan, als ob’s im eigenen Raum pas-siert. Scheinbar hat man bei der Prämiierung dieses Holzbaus den Gebrauchswert nicht im Ohr gehabt. Frühstück unter BestWestern-Standard (es fehlen Butter, Natur¬joghurt und Obst in irgendeiner Form);¬ Restaurant-Speisekarte irreführend (Marinated Chicken ist ein riesiger halber Broiler mit sauren Gemüsebeilagen); die vorgeblichen Englischkenntnisse der Bedie-nung gleich Null (es kommt schon bei einfachsten Bestellvorgängen mit Hilfe der Speisekarte zu Missverständnissen).
Facit zu Sigulda: Die Stadt mit ihrem direkten Umfeld bietet außer bunten Spazierstöcken nichts, das es nicht vielerorts in Deutschland ähnlich und überzeugender gibt. Sie lockt uns allerdings ins Gauja-Land. Und die Begegnung mit diesem Fluss in seinen vielfältigen Formen und mit den Nationalpark-Biotopen möchten wir nicht missen. Das ist aber auch vom sehr stimmigen Diklu pils aus möglich.
10.08.
Diklu pils: Das Herrenhaus ist noch mal ein feines Abschluss-Schmankerl. Komfort, Service und Essen tadellos. Die Atmosphäre passt zur Historie. Die alte Treppe knarrt, nicht aber der mit exquisitem Teppichboden bedeckte Fußboden. Beispiel für vielerlei besondere Zuwendungen: Das Ruderboot auf dem Gutsmühlenteich steht kostenlos zur Verfügung.
Im Restaurant schmeckt’s; sehr reiches Frühstück.
11.08.
Für die Anfahrt zur Fähre in Ventspils steht ein ganzer Tag mit langem Abend zur Verfügung. Also bummelt man auf kleinen Straßen an der Riga-Bucht entlang, um Kap Kolja herum. Es gibt Räucherfisch und wunderbare Strände direkt neben der Straße.
In Ventspils an Bord der Urd von Scandlines: Die Internetseite der Linie und Berichte auf der Umfulana-Seite hatten uns schon auf die Rückkehr in die raue Normalität eingestimmt. Wer mit anderen Fähren über die Ostsee gefahren ist, vermisst hier alles, was skandinavische Qualität prägt: in der Einrichtung, im Umgang mit den Passagieren, im Essen und in der Palette besonderer Angebote. Irgendwie kommen hier sozialistische Klischee-Erinnerungen wieder auf. Die Rezeption lässt die Passagiere nach Einschiffung am späten Abend noch eine halbe Stunde am heruntergelassenen Rollladen warten, hinter dem palavert wird. Die Personaldokumente sind für die Dauer der Fahrt abzugeben. Alles scheint gezielt abgestimmt auf die Hauptklientel: die Trucker-Crews, deren Gespanne das Schiff in großer Zahl füllen. Diese Männer prägen auch das akustische Geschehen am Tag und in der Nacht.
Wir nutzen die Möglichkeit, unter diesen Bedingungen wieder etwas über die sozialen Verhältnisse im neuen Europa zu lernen. Vor allem aber genießen wir es, uns nach 3800 km Fahrt im eigenen Pkw entspannt in deutsche Gefilde zurückschippern zu lassen.
Resummee nach 24 Tagen in 4 fremden Ländern:
Eine hochinteressante Reise, eindrucksvoll, mit erholsamen Momenten, aber insgesamt auch ganz schön anstrengend.
Die Organisation durch Umfulana sorgfältig und zuverlässig – vielen Dank. Informative Beschreibungen, Hausprospekte und ein erster Reiseführer steigerten die Vorfreude.
Die hochwertigen Quartiere waren im Gesamtpaket ein wesentlicher Entspannungsfaktor. Wir haben bedauert, dass wir die Gutshofhotels entgegen dem Internetangebot schon immer am nächsten Tag verlassen mussten; man kommt gar nicht dazu, sie ihrer Besonderheit angemessen zu genießen.
4000 km Autofahrt: kein Problem für den, der Lust hat, mit dem Auto zu bummeln. Uns halfen Reiseführer, die Länderkarten von Reise-Know How, das Navi in Polen und den Großstädten, Klimaanlage, Hörbücher, Tempomat. Viel Platz auf den Straßen außerhalb der Städte. Nebenstraßen empfohlen; sie sind oft staubig, abwechslungsreich, Lkw-arm. Schlaglöcher so häufig wie Störche; eine einzige Waschbrettstrecke, die 15 km haben allerdings Fahrzeug und Fahrer ziemlich strapaziert. Die Einheimischen fahren bedächtig, Rabauken wie in Deutschland sind uns nur in Lettland begegnet. Fahrzeugdiebstahl war kein Thema. In den Ländern gibt es so viele hochwertige Vehikel, da müsste man nicht drauf lauern, mal ein deutsches wegzuschnappen.
Belastend war, dass man sich in kurzer Zeit viermal auf eine andere Sprache und anderes Geld einstellen muss. Es gibt noch keine Taschenwörterbücher; die Kauderwelschbändchen mit CD’s kein Ersatz. Man kann sich gar nicht so schnell die neuen Floskeln einbimsen, wie man im nächsten Land ist. Uns hat Englisch nur sehr begrenzt geholfen; Vorteil für die Ost-Bundesrepublikaner, die in die Russisch-Schublade greifen können.
Beglückende Erlebnisse an jeder Grenze: Die Kontrollanlagen sind verwaist. Nur zur Einschiffung auf die Rostock-Fähre waren Papiere zu zeigen. Es ist zu wünschen, dass diese Länder jetzt lange, gute Jahre haben, in Europa ihre Identität wiederzufinden, auszubauen und zu pflegen. In Anbetracht ihrer von politischen und sozialen Wechseln geprägten Geschichte seit dem frühen Mittelalter kann man sich allerdings noch gar nicht so recht vorstellen, dass diese erhoffte Kontinuität nun begonnen hat.
Alles Gute dafür –
und wir bedanken uns,
G. u. R. S. – HI