
Wer zweieinhalb Stunden nordöstlich von Rom aus dem Auto steigt, betritt eine andere Welt: In Santo Stefano di Sessanio im Schatten des Gran Sasso muss irgendwann die Zeit stehen geblieben sein. Steinalte Häuser kuscheln sich noch um den Wehrturm, der weit über den zentralen Appennin schaut, eine der aufregendsten und urtümlichsten Landschaften Italiens.
Als der schwedisch-italienische Philanthrop und Hotelier, Daniele Kihlgren, das Dorf besuchte, war es schon fast ausgestorben. Er beschloss, ein Hotel mit einem vollkommen neuen Konzept zu gründen, das er Hotel Diffuso nennt. Mehrere leerstehende Häuser konnte er sofort kaufen. Mit bewundernswerter Liebe zum Detail hat er sie restaurieren lassen. Dabei hat er weniger an die Hotelfunktionen gedacht als an die Authentizität.

Das Hotel besteht heute aus vielen restaurierten Häusern, die im ganzen Dorf verteilt sind. Es ist ein Gegenentwurf zu der hippen Welt des Berlusconi-Italiens, wo Luxus und Glamour idealisiert werden. Die Rezeption befindet sich beispielsweise in einer Höhle, in der früher Schweine gehalten wurden. Die Zimmer haben keine Ähnlichkeit mit gewöhnlichen Hotelzimmern. Die unregelmäßigen Wände sind mit Lehm verputzt. Selbst die Bettbezüge wirken antik. Moderne Technik ist vorhanden, bleibt aber im Hintergrund: etwa in den unaufdringlichen Bädern, die teilweise mit Fußbodenheizung versehen sind.

Das Restaurant in ist ein beeindruckender Saal mit offenem Kamin. Der Fußboden aus dem 19. Jahrhundert wurde entfernt, so dass man wieder auf den Steinen aus dem 15. Jahrhundert sitzt. Auch die Speisen sind besonders: eine Spezialität sind die Linsengerichte, die Spaghetti werden nach altem Rezept handgemacht.
Die Umgebung: Gran Sasso d’Italia

Grandiose Motive bieten die Monti del Lago und das Kalksteinmassiv des Gran Sasso d’Italia. Der „große Fels von Italien“ ist mit 2.912 m der höchste Berg der Apenninhalbinsel. Wer von der Bergstation der Seilbahn noch den vierstündigen Aufstieg zum Gipfel wagt, wird mit einer grandiosen Aussicht über ganz Mittelitalien belohnt: im Osten sieht man Pescara und die Adria, im Westen die Sabiner Berge und an klaren Tagen sogar das Thyrrenische Meer. Der Gran Sasso ist heute Teil eines Naturparks, der eines der größten Wildnisgebiete Italiens schützt und vor allem Wanderer und Kletterer anzieht.
Wanderung um den Colle d’Anzano

Die mittelschwere Wanderung beginnt am Albergo Diffuso und führt um den Colle d’Anzano. Rings umher ist nichts als die Bergwildnis des mittleren Apennin. Ein einziges Bergdorf liegt auf dem Weg: Calascio. Wer den Rocca Calascio besteigt und bis zur Ruine hochklettert, erlebt einen phänomenalen Blick über eine unwirkliche Urlandschaft. (4:30 Stunden, 15 Kilometer, auf und ab: 540 Meter)