
Vor 330 Jahren erließ Friedrich Wilhelm von Brandenburg das Edikt von Potsdam: Allen Flüchtlingen aus Frankreich bot er freies und sicheres Wohnrecht an. In Berlin stieg die Einwohnerzahl in einem Winter um ein Drittel. Heute steht dort noch ein Denkmal der Masseneinwanderung: der Französische Dom.
Das Pulverfass Frankreich
Die Vorgeschichte

Seit 150 Jahren schwelte in Frankreich ein Bürgerkrieg. Die protestantischen Hugenotten wurden vom katholischen Klerus und dem König unterdrückt. Grausiger Höhepunkt war die Bartholomäusnacht, in der 3.000 Protestanten ermordet wurden. Als der Papst von dem Pariser Massaker erfuhr, ließ er zum Dank ein Te Deum im Petersdom feinern. Doch der evangelische Glaube ließ sich nicht einfach ausrotten. Nicht nur, dass 15 Prozent der Franzosen sich dazu bekannten, die Hugenotten waren aufgrund ihres Fleißes und ihres sparsamen Lebensstils überdurchschnittlich erfolgreich und gewannen an Einfluss. 1685 sollte der Protestantismus per Federstrich beseitigt werden: Im Edikt von Fontainebleau verbot der Sonnenkönig, Ludwig XIV., die Lehren Calvins. Die Verfolgungen näherten sich einem neuen Höhepunkt. Die IS-Terroristen von Paris nannten sich damals „Dragonaden“ – berüchtigte Todesschwadronen, die die Häuser der Protestanten stürmten und sie mit extremer Brutalität zwangen, ihrem Glauben abzuschwören. Im Herbst 1685 kam zu einer Massenflucht: 200.000 Menschen flohen halsüberkopf aus Frankreich in Richtung Norden.
Der Kurfürst lädt ein
Die mutige Entscheidung
Wenige Tage später traf der Kurfürst von Brandenburg eine mutige Entscheidung: Er lud alle Flüchtlinge aus Frankreich in sein Land ein. Neben dem Wohnrecht bot er ihnen Steuerbefreiung und Subventionen. Natürlich nicht ganz uneigennützig: Brandenburg hatte demographische Probleme. Die Bevölkerung war ausgedünnt – eine Spätfolge des Dreißigjährigen Kriegs. Außerdem hatte Friedrich Wilhelm gute Erfahrungen mit Einwanderern gemacht. Zuvor hatte er schon tausende Juden aufgenommen, die aus Österreich vertrieben wurden.
Das Edikt von Potsdam hatte Erfolg. Es kamen bei weitem nicht alle, aber über 20.000. Der Flüchtlingstransport war gut organisiert. Ein Komitee aus Verwaltungsexperten regelte die Zuständigkeiten. Hotspots wurden eingerichtet. In Sammellagern in Amsterdam, Frankfurt und Hamburg wurden die Réfugiers aufgenommen und weitergeleitet. Trotzdem war die Not im Winter 1685/86 groß. Der Kurfürst entschloss er sich zu einer unpopulären Maßnahme und ordnete eine Solidaritätsabgabe an.
Während der Adel und das gehobene Bürgertum die gebildeten Franzosen begrüßten. lehnten die einfachen Leute die Flüchtlinge ab. Deren Aussehen war ungewohnt, ihre Sprache unverständlich, selbst die calvinistische Religionsausübung war der lutherischen Bevölkerung fremd. Plötzlich wurden Wohnraum und Lebensmittel knapp; Preissteigerungen waren die Folge. Wichtiger noch: Man glaubte die eigene berufliche Existenz in Gefahr und neidete den Zugereisten ihre Privilegien. Hindernisse wurden den Fremden in den Weg gelegt. Die Zünfte verweigerten die Aufnahme, es gab Fälle von Brandstiftungen und zerbrochenen Fenstern durch Steinwürfe.
Doch bereits nach wenigen Jahren ging die Rechnung des Kurfürsten auf: Die Einwanderer brachten dem Staat einen wirtschaftlichen und geistigen Aufschwung. Berlin entwickelte sich zu einem Zentrum der Literatur und der Handwerkskunst, das weit über die Staatsgrenzen hinweg wirkte. Der Aufstieg Brandburg-Preußens vom ärmlichen Sand- und Sumpfland in die erste Liga der europäischen Großmächte hatte begonnen. Und Friedrich Wilhelm ging als „der Große Kurfürst“ in die Geschichte ein.
Der Französische Dom
Das Denkmal der Massenflucht
Für die Hugenotten wurde ein neues Viertel aus dem Boden gestampft: die Friedrichstadt, heute das Zentrum von Berlin. Das Herz war der Gendarmenmarkt. Dort wurden gleich zwei Kirchen gebaut: eine für die französischen Flüchtlinge und – genau gegenüber und in vollkommener Symmetrie – eine für die alteingesessenen Berliner. Man muss dort gestanden haben, um zu begreifen, welche Wertschätzung man vor 300 Jahren den Flüchtlingen entgegengebrachte. Dazwischen kam später das Schauspielhaus dazu. Heute zählt der Gendarmenmarkt zu den schönsten Plätzen Europas.
Die Oper
Hugenotten
Einer der erfolgreichsten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts, der heute fast vergessene Berliner Giacomo Meyerbeer, schrieb 1835 die Oper Les Huguenots, die ein Jahr später in Paris uraufgeführt wurde und in ganz Europa für Aufsehen sorgte. Hier das Finale der Oper „Les Huguenots“:
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