
Stadt der Erschütterungen und des Lebens
Paris
Nach den Anschlägen von Paris sei nichts mehr so, wie es vorher war, heißt es von Journalisten und Politikern. Doch die Stadt hat schon weit Schlimmeres überstanden und ist sogar daran gewachsen. Davon zeugen die Plätze, Kirchen und Sehenswürdigkeiten.

Eine Wanderung durch die Zeit
Paris ist weit über 2.000 Jahre alt. Auf der Seine-Insel, wo heute die Kathedrale Notre-Dame steht, war bereits im 3. Jahrhundert vor Christus das keltische Dorf Lutetia. Die erste Pariser Katastrophe, von der wir wissen, war die Eroberung durch die Römer. 52 vor Christus ließ Caesar die Siedlung in Brand stecken. Doch dann entstand eine Stadt am Nordufer der Seine. Im Lauf der Jahrtausende erlebte Paris Eroberungen und Massaker, Revolutionen und Aufstände, Befreiungen und Neuanfänge. Alles hat die Stadt geprägt und zu einem Mythos gemacht. Tief hat sich die Geschichte in das Stadtbild eingegraben. Im Folgenden stellen wir eine kleine Stadtrundfahrt durch Paris vor. Sie ist eine Wanderung durch die Zeit.
Notre-Dame: Hauptort des christlichen Abendlandes
Fast 200 Jahre wurde an der Kirche des Erzbischofs von Paris gebaut. Doch als sie 1345 endlich fertig war, war ein Wunderwerk entstanden, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte. Obwohl sie eine der frühesten Kathedralen der Gotik war, ist sie ihr Meisterwerk geblieben. Wie ein Juwel thront Notre-Dame über der Seine. Die beiden Türme sind 69 Meter hoch, der Dachreiter 96 Meter. Das Kirchenschiff ist im Inneren 130 Meter lang, 48 Meter breit und 35 Meter hoch; es bietet bis zu 10.000 Personen Platz. Die Kathedrale war für die damalige Zeit ein Superlativ, was durchaus beabsichtigt war. Sie sollte den benachbarten Louvre, der damals das Königsschloss war, überstrahlen. Notre-Dame zeugt davon, dass Paris vom Hochmittelalter bis ins 19. Jahrhundert nicht nur Mittelpunkt Frankreichs, sondern auch die bedeutendste Stadt des christlichen Abendlandes war und dessen Geschichte entscheidend beeinflusst hat.
Der Louvre: vom Sturz der Aristokratie

Über Jahrhunderte war der Louvre das Schloss der französischen Könige und die größte Baustelle Frankreichs. Fast jeder König hat Veränderungen vornehmen lassen. Im 12. Jahrhundert war er noch eine trutzige Burg, wurde in den nächsten zwei Jahrhunderten aber schnell zu einer repräsentativen Residenz erweitert. Was die Zeiten überdauerte, sind die vier Flügel rund um den quadratischen Innenhof. Als Ludwig XIV. seine Residenz nach Versailles verlegte, verfiel der Bau und fand eine dauerhafte Bestimmung erst nach der Revolution. 1791 beschloss die Nationalversammlung, die enteigneten Kunstschätze des Königs und des Adels zu sammeln und dort auszustellen. Heute ist der Louvre mit jährlich etwa etwa zehn Millionen Besucher das größte Museum der Welt. Seine Sammlung umfasst über 380.000 Werke, von denen nur knapp ein Zehntel auch ausgestellt wird. Das berühmteste Gemälde ist vermutlich die Mona Lisa, die Leonardo da Vinci um 1503 gemalt hat.
Montmartre: Künstler, Sozialisten und Reaktionäre

Das Dorf Montmartre auf einem Hügel im Norden von Paris wurde 1860 eingemeindet und Teil des 18. Bezirks. Während sich das Leben in der Innenstadt extrem verteuerte, blieb der Wohnraum hier relativ preisgünstig, so dass vor allem Künstler und Arbeiter zuzogen, unter ihnen Toulouse-Lautrec, Gauguin, Cézanne und der Komponist Hector Berlioz. Bald war Montmartre eine literarische Hochburg und ein angesagtes Viertel. Nach dem aus französischer Sicht verlorenen Krieg von 1870/71 gründete sich hier die Pariser Kommune, die Paris zu einer sozialistischen Stadt machen wollte. Diese erste Diktatur des Proletariats wurde gewaltsam niedergeschlagen. Als Zeichen, dass die alte Ordnung wiederhergestellt sei, wurde Sacre Coeur gebaut. Bis heute thront die Basilika weithin sichtbar über dem Viertel, in dem zahllose Straßenmaler ebenso zahllose Touristen porträtieren.
Arc de Triomphe: Die Kriege mit den Deutschen

Zweimal wurde Paris von den Deutschen erobert: 1871 und 1940. Dafür hat Ludwig XIV. die Kurpfalz annektiert und das Heidelberger Schloss zerstört. Nach ihm hat Napoleon französische Soldaten nach Osten marschieren lassen. Als er Berlin besetzte, musste der preußische König nach Tilsit fliehen, das heute Klaipeda heißt und in Litauen liegt. Der größte Sieg Napoleons war jedoch die Schlacht im böhmischen Austerlitz 1806, wo er die Truppen des österreichischen Kaisers und des russischen Zaren schlug. Im Gedenken an diese „Dreikaiserschlacht“ wurde der Arc de Triomphe errichtet. Unter dem Bogen des gewaltigen Tores liegt das Grabmal des unbekannten Soldaten. Nach wie vor brennt dort die Ewige Flamme. Das ganze Jahr über finden dort Kranzniederlegungen und Ehrungen statt. Höhepunkt ist die Parade am 11. November zum Gedenken an den Sieg über Deutschland 1918.
Quartier Latin: Studentenunruhen und Touristen
Das traditionelle Studentenviertel in Paris liegt nahe der Universität Sorbonne und heißt Quartier Latin, weil die Gelehrten über lange Zeit Latein sprachen. Viele Schriftsteller haben in der Gegend gewohnt, unter anderen Honoré de Balzac, Gabriel García Márquez und Klaus Mann. Während der Studentenunruhen 1968 war das Viertel Schauplatz heftiger Straßenkämpfe. Tausende von Studenten wurden verhaftet, über hundert wurden im brutalen Polizeieinsatz gegen die „Nacht der Barrikaden“ schwer verletzt. Als die Gewerkschaften aus Solidarität mit den Studenten den Generalstreik ausriefen, trat Präsident de Gaulle zurück. Heute wohnen im Quartier Latin kaum noch Studenten, weil die Mieten unbezahlbar geworden sind. Stattdessen gibt es dort angesagte Restaurants und Boutiquen.
Place de la Concorde: Schauplatz der Revolution

Der Platz entsprang dem Größenwahn von Königs Lous XV. , der auf der Suche nach einem würdigen Ort für sein eigenes Reiterdenkmal war. Über 20 Jahre hatte man gebaut, bevor man 1776 das Denkmal und den Platz einweihen konnte. Zwischen Seine-Ufer und den Gärten der Tuileries war der größte Platz der Welt entstanden: 70.000 Quadratmeter groß und achteckig. Doch das Königsdenkmal am Place Louis XV stand nur kurze Zeit. Während der Französischen Revolution wurde es von wütenden Parisern zerstört und durch eine monumentale Freiheitsstatue ersetzt. Der Platz wurde in Place de la Révolution umbenannt. 1793 wurde dort die Guillotine aufgestellt. In gut zwei Jahren wurden über tausend Personen unter begeisterter Anteilnahme der Bevölkerung hingerichtet, darunter der Sohn des denkmalsüchtigen Königs, Ludwig XVI., sowie seine Gattin, Marie Antoinette, Madame Dubarry und die Revolutionäre Danton und Robespierre. Nach dem Ende der Jakobinerherrschaft war die Nation politisch zerrissen und am Rand eines Bürgerkriegs. Daher wurde der Platz in Place de la Concorde (Platz der Eintracht) umbenannt. Außerdem sollte ein politisch neutrales Denkmal gefunden werden. Schließlich entschied man sich für einen Obelisken aus dem ägyptischen Luxor, ein Geschenk des ägyptischen Königs an Frankreich. Der 3.200 Jahre alte Steinpfeiler soll das schwierige Erlangen der Eintracht symbolisieren. Auf dem Platz finden alljährlich die Feiern zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli ihren Höhepunkt.
Die Banlieues: Die Schattenseite der Glimmer-Glitzer-Stadt

Wer die Anschläge von Paris verstehen will, muss sich mit den Banlieues, den Vororten von Paris, beschäftigen. Deren Geschichte reicht bis ins Mittelalter zurück. Rings um die Stadtmauer gab es einen Bereich, in dem städtisches Recht noch gültig war. Dieser etwa eine Meile breite Gürtel wurde auch Bannmeile (französisch: Banlieue) genannt, weil aus ihm beispielsweise Märkte verbannt wurden, die dem innerstädtischen Handel Konkurrenz gemacht hätten. Im 19. Jahrhundert siedelten sich in den Pariser Banlieues Industriebetriebe an, die wie Magneten Menschen aus der Provinz anzogen. Ohne geplante Infrastruktur wucherten ungeordnete Siedlungen aus Baracken und primitiven Hütten um die Fabriken. Als um 1830 in Paris unter Baron Haussmann große Boulevards mit prächtigen Wohnungen für das Bürgertum angelegt wurden, wurden die Behausungen der Arbeiter abgerissen. Sie waren gezwungen, in die Banlieues umzuziehen. Diese Siedlungen waren absichtlich nur unzureichend an Paris angebunden. Anfang des 20. Jahrhunderts waren die hygienischen Zustände in den Barackensiedlungen um Paris katastrophal.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen die Banlieues weiter. Statt der Landbewohner aus dem Massif Central und der Bretagne kamen nun Arbeiter aus Südeuropa und aus den französischen Kolonien in Nordafrika. Mitte der 1950er-Jahre waren Millionen von Menschen um Paris mal-logés, also notdürftig in Barackensiedlungen untergebracht. Als im Winter 1953 zahllose Obdachlose erfroren, entschloss sich der Staat zu einem Wohnungsbauprogramm. Großwohnsiedlungen nach dem Vorbild des deutschen Bauhauses sprossen rings um Paris aus dem Boden, um mit möglichst geringen Aufwand der Wohnungsnot zu begegnen. Endlich hatte man eine Antwort auf die Wohnungsnot gefunden. Dachte man jedenfalls.
Mitte der 1970iger Jahre war die Zeit des französischen Wirtschaftsbooms zu Ende. Viele Bewohner der Banlieues wurden arbeitslos. Zugleich verfielen die schlecht und hastig aufgebauten Wohnsilos, die zunehmend von Verwahrlosung und Armut geprägt wurden. Zwar bemühte sich der Staat um Lösungen wie Sanierungen der Hochhäuser, aber die Probleme scheinen komplexer zu sein. Seit den 1980iger Jahren gab es immer wieder Unruhen in den Banlieues, die 2005 einen Höhepunkt erreichten. Nachdem sich das Gerücht verbreitet hatte, dass zwei arabischstämmige Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei ums Leben gekommen waren, wurden an einem Abend in Aulnay-sous-Bois über 500 Autos und mehrere Häuser in Brand gesteckt. Der damalige Innenminister Sarkozy bezeichnete die Jugendlichen als „racaille“ (Abschaum), den man mit dem Hochdruckreiniger wegspritzen solle.
Unser Übernachtungstipp
Ein Boutique Hotel am Louvre

Das kleine Hotel befindet sich im Zentrum von Paris, im Schatten des Louvre, und so nah an St. Germain l’Auxerrois, dass die Gesänge aus der ehemaligen Königskirche herüberdringen und die gotischen Schimären ins Fenster schauen. Im Keller befindet sich noch eine Druckerpresse, auf der während der französischen Revolution illegale Flugblätter gedruckt worden sind. Zu gewisser Berühmtheit hat Puccini der Lokalität verholfen, der Teile seiner Oper „La Boheme“ im Café Momus, einem Debattierclub von Revolutionären, spielen lässt. Heute befindet sich die Rezeption des Hotels dort. Frühstück wird nach guter Pariser Sitte im Zimmer serviert. Das Hotel ist klimatisiert. Sophie Aulnette leitet das Hotel seit über 10 Jahren. Sie kümmert sich persönlich um ihre Gäste und spricht perfekt Deutsch.