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Eine Frau steht vor einer Tür mit arabischem Schriftzug
Marokko

Drei Tage in Marokko
Eine Reise nach Marrakesch und Essaouira

Auf Einladung von Air France durfte ich im Januar an einem Famtrip nach Marokko teilnehmen. Ein Famtrip ist eine Inforeise für Touristiker, die einen ersten Eindruck von einem Reiseland vermitteln soll. Nur drei Tage war ich in vor Ort. Mit dem, was ich gesehen habe, könnte ich aber Bände füllen.

Es sind etwa 21°C als unsere Reisegruppe an einem Nachmittag im Januar im Marrakesch landet. Ich genieße die wärmenden Sonnenstrahlen, die beim Verlassen des Flughafens auf mein Gesicht fallen. „Eigentlich ist es viel zu warm für diese Jahreszeit“ erklärt uns unser Guide Mohammed noch bei der Begrüßung am Flughafen. Die letzten Jahre seien solche Temperaturen aber immer häufiger vorgekommen. Was für uns, die gerade erst dem regengrauen Winter in Deutschland entflohen sind, eine wahre Wohltat ist, wird für die Menschen in Marokko zunehmend zum Problem. Der Tourismus ist in diesem Zusammenhang Fluch und Segen zugleich. Aber dazu später mehr.

„Manchmal muss das Gesetz auch einfach die Menschen respektieren.“

Unser Hotel liegt direkt gegenüber des Hauptbahnhofs, an der Avenue Mohammed VI, einer der modernen Hauptschlagadern Marrakeschs. Es ist zwar schön, aber nicht vergleichbar mit den historischen Riads in der Medina, die aufgrund ihrer wenigen Zimmer doch eher den Individualreisenen vorbehalten sind. Dafür kann man von hier wunderbar das alltägliche Treiben beobachten. Cafés und Einkaufszentren säumen die Straße auf mehreren Kilometern. Begrünte, parkähnliche Flächen zwischen den Fahrbahnen locken zum Flanieren – vorausgesetzt man erreicht sie unbeschadet. Denn an den Verkehr in der quirligen Metropole muss man sich doch erst ein bisschen gewöhnen. Autos, Mopeds und Eselskarren wuseln quer durcheinander. Fahrbahnmarkierungen, Zebrastreifen und Verkehrsschilder scheinen hier eher Empfehlungen zu sein. Unser Eindruck wird bestätigt, als am nächsten Morgen ein Stadtrundgang auf dem Programm steht. Wir beginnen an der Koutoubia-Moschee, die etwas außerhalb der Medina liegt und deren prachtvolles Minarett zu den beliebtesten Fotomotiven der Stadt zählt. Durch einen wunderschönen Garten führt ein Fußweg gerade auf das historische Bauwerk zu. Die Durchfahrt mit den quasi omnipräsenten motorisierten Zweirädern ist verboten. Dennoch brettert ein junges Mädchen mit ihrem Roller an uns vorbei. Als wir unseren Guide – zugegeben, spießigster deutscher Manier – nach dem Durchfahrverbot fragen, lacht er nur und winkt ab „Die Leute benutzen den Weg hier schon länger als es das Verbot gibt. Manchmal muss das Gesetz auch einfach die Menschen respektieren.“

Größte Moschee in Marrakesch: Koutoubia-Moschee
Größte Moschee in Marrakesch: Koutoubia-Moschee

„Das Schöne findet man stets im Innen, nicht im Außen.“

Von der Moschee spazieren wir weiter in die Altstadt. Wir erreichen den Djema el-Fnaa, den berühmten Gauklerplatz. Noch ist es hier verhältnismäßig ruhig. Von den Garküchen, Artisten und Musikern, die den Platz am Abend zum Leben erwecken, fehlt noch jede Spur. Nur ein paar Schlangenbeschwörer versuchen eine Handvoll Touristen für ihr Schauspiel zu begeistern. Vom Gauklerplatz gelangt man in die weit verzweigten Souks. In den engen Gassen reiht sich Laden an Laden. Händler verkaufen die verschiedensten Waren, stets ist die Auslage hübsch drapiert. Die schiere Fülle des Angebots macht es unmöglich alles im Detail aufzunehmen. Der Blick verliert sich in den bunten Farben und vielgestaltigen Formen. Gleichzeitig muss man stets die Augen und Ohren offenhalten, da sich im Minutentakt Mofas und andere kleine Gefährte durch die schmalen Gänge drängen. Obwohl wir in der Nebensaison reisen, sind die Souks gut besucht und es ist in dem bunten Treiben gar nicht so einfach, als Gruppe zusammenzubleiben. Gewürze, Arzneien und andere Dinge des alltäglichen Bedarfs locken auch Locals zum Einkaufen her. Ein Großteil der Ware scheint mir aber doch eher auf touristische Bedürfnisse ausgelegt zu sein – zumindest in den äußeren, leicht zugänglichen Teilen des Marktes. Kein Wunder, denn der Tourismus ist eine wichtige Säule für die marokkanische Wirtschaft. Er schafft Arbeitsplätze und generiert Einkommen. Die stabile politische Situation, die landschaftliche Vielfalt sowie die Nähe zu Europa – mit einer Direktverbindung beträgt die Flugzeit von Deutschland knapp vier Stunden – haben Marokko zu einem der wettbewerbsfähigsten Reiseziele Afrikas gemacht.

Eine Fülle verschiedenster bunter Waren: Souks in Marrakesch
Eine Fülle verschiedenster bunter Waren: Souks in Marrakesch

Gleichzeitig versteht sich das geschichtsträchtige Königreich auch vorzüglich darin, dem Reisenden dennoch nicht gleich auf den ersten Blick all seine Geheimnisse preiszugeben. So verhält es sich auch mit dem Jardin Secret, unserem nächsten Ziel an diesem Tag. Durch ein Tor in einer unscheinbaren, fensterlosen Mauer gelangen wir in einen kleinen Garten Eden. Orangenbäume blühen, der Duft von Rosmarin liegt in der Luft, Wasser plätschert in den Kanälen zu unseren Füßen. Im Schatten der Bäume gibt es Sitzecken. Wir staunen nicht schlecht über diesen Szenenwechsel von den wuseligen Gassen in ein ruhiges Paradies. Mohammed legt die Hand auf die Brust. „Es ist wie mit dem Herzen.“ sagt er „Das Schöne findet man stets im Innen, nicht im Außen“.

Verstecktes Paradies: Jardin Secret
Verstecktes Paradies: Jardin Secret

„Als Vegetarierin sind jedoch die Vorspeisen das kulinarische Highlight für mich. Denn auf etwa 20 bunten Tellerchen werden uns die köstlichsten Pasten und Salate gereicht.“

Nach dem Besuch im Garten neigt sich unser Tag langsam dem Ende zu. Zeit für das Dinner. Ich freue mich sehr, als ich höre, dass wir nicht im Hotel, sondern auswärts essen. Immerhin hat Marokko eine äußerst lebendige Gastroszene, die entdeckt werden will. Unser Guide hat für uns wurde ein Tisch in einem wunderschönen Riad reserviert. Um einen zentralen Innenhof, auf dem einige Musiker spielen, gehen zu den Seiten mehrere Räume ab, die als gemütliche Separées dienen. Die Gemüsetajine, die mir als Hauptgang serviert wird, ist wirklich lecker. Als Vegetarierin sind jedoch die Vorspeisen das kulinarische Highlight für mich. Denn auf etwa 20 bunten Tellerchen werden uns die köstlichsten Pasten und Salate gereicht. Von Zaalouk, einem Gericht aus Auberginen, Tomaten und frischen Kräutern, über marinierte Oliven zu kleinen, frittierten Teigtaschen ist für jeden Geschmack etwas dabei. Nach dem Essen bleiben wir noch lange sitzen, lauschen der Musik, die vom Hof zu uns hinüberklingt und genießen den zuckersüßen Minztee, der klassischerweise dem Essen gereicht wird.

Kulinarisches Highlight: bunte Auswahl an Vorspeisen
Kulinarisches Highlight: bunte Auswahl an Vorspeisen

„Was zunächst wie eine klassische Touristenfalle aussehen mag, ist in Wirklichkeit deutlich mehr. “

Am nächsten Tag klingelt der Wecker schon früh. Ein Tagesausflug nach Essaouira ist geplant und von Marrakesch beträgt die Fahrtzeit etwa drei Stunden. Es kommt mir lange vor, bis wir das Stadtgebiet hinter uns gelassen haben. Viele im Bau befindliche Häuser deuten darauf hin, dass Marrakesch noch lange nicht ausgewachsen ist. Die Landflucht, die sich seit einigen Jahren abzeichnet, wird hier auch für Reisende sichtbar. Unterwegs machen wir Halt an einer Argankooperative. Dass ausländische Reisende hier die Zielgruppe sind, lässt sich schon an den großen Reisebussen auf dem Parkplatz deutlich erkennen. Was zunächst wie eine klassische Touristenfalle aussehen mag, ist in Wirklichkeit deutlich mehr. Es lohnt sich hier ein bisschen auszuholen: Während es vor allem Männer sind, die auf der Suche nach Arbeit in die Städte abwandern, sind viele Frauen in Marokko noch immer im Agrarsektor beschäftigt. Mit dem Fortschreiten des Klimawandels, der Dürren und Wasserknappheit sowie die Zunahme an Extremwetterereignissen zur Folge hat, droht der Verlust ihrer Lebensgrundlage. Die Gründung von bäuerlichen Kooperativen ist eine der Strategien, die dabei helfen sollen, die Lebensgrundlage auch zukünftig zu sichern. Auf diese Weise sollen der Wasserverbrauch gesenkt, tragfähige wirtschaftliche Strukturen aufgebaut sowie Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für Frauen geschaffen werden.

Als wir aus dem Bus aussteigen, werden wir auch sogleich von einer jungen Frau in Empfang genommen. Sie begrüßt uns auf Deutsch und bittet uns ihr zu folgen. Sie zeigt uns den ältesten Arganbaum der Kooperative und führt uns dann in eine kleine Halle, wo der traditionelle Prozess für die Herstellung von Arganöl demonstriert wird. Das Öl gilt als natürliches Wundermittel, das zu kosmetischen und medizinischen Zwecken eingesetzt werden kann und ist somit ein äußerst wertvolles Exportgut. Natürlich gibt es auch vor Ort einen kleinen Laden, in dem man allerlei Cremes und Seifen kaufen kann. Alles komplett biologisch. Unsere Begleiterin stellt uns einige ihrer Lieblingsprodukte vor und beantwortet geduldig unsere Fragen. Mehrmals entschuldigt sie sich für ihr gebrochenes Deutsch – obwohl sie wirklich hervorragend spricht. Sie habe es sich selbst per App beigebracht, fügt sie hinzu. Wir sind mehr als beeindruckt. Ich selbst lasse deutlich mehr Geld in dem Laden als ich eigentlich geplant hatte. Aber was soll ich sagen? Nachdem ich vor kurzem 30 geworden bin, greife ich gegen Falten zu jedem Wundermittel, das ich finden kann. Und zu wissen, dass meine Ausgaben hier einem sinnvollen Zweck dienen, statt die Taschen irgendeines Großkonzerns weiter zu füllen, macht das Ganze zu einer Win-Win-Situation. An diesem Beispiel werden die widersprüchlichen Gleichzeitigkeiten des Tourismus sehr leicht erkennbar. Einerseits strapaziert er die ohnehin knappen Ressourcen weiter, andererseits bedeutet für viele Menschen eine Chance für die Zukunft. Eine Chance, die es sich zu nutzen lohnt, solange wir uns alle unserer Verantwortung bewusst sind und sparsam und rücksichtsvoll mit den Ressourcen umgehen.

Auf dem Weg nach Essaouira: Besuch einer Argankooperative
Auf dem Weg nach Essaouira: Besuch einer Argankooperative

„In den 1960er Jahren war die "Stadt der Winde", wie Essaouira auch genannt wird, Anziehungsort für Künstler aus aller Welt und Sehnsuchtsziel für Hippies und Aussteiger.“

Von der Argankooperative ist es nicht mehr weit bis nach Essaouira. In der Stadt angekommen, ist erst einmal Zeit für das Mittagessen. Mohammed begleitet uns zu einem Fischrestaurant am Strand. Auf der Terrasse hat man einen herrlichen Blick über die Strandpromenade und die Wellen des Atlantik. Wir beobachten die Surfer, die sich in die kalten Fluten wagen. Nachdem uns der Hotelpool am Vortag in puncto Temperatur schon in die Knie gezwungen hat, haben wir unsere Schwimmsachen heute im Hotel gelassen. Trotz des schönen Wetters ist der Januar eben noch kein Monat für Badeurlaub. Nach einer Stärkung geht es für uns in die Souks. Und hier scheint es fast, als gehörten die Läden nicht den Menschen, sondern den Katzen, die eingekuschelt auf den ausgestellten Teppichen dösen oder sich zwischen bunten Keramikschälchen in der Sonne räkeln.

Niedliche Samtpfoten: die heimlichen Besitzer der Läden
Niedliche Samtpfoten: die heimlichen Besitzer der Läden

Mit den weißgetünchten Wänden und den indigoblauen Türen und Fensterrahmen hat Essaouira ein ganz anderes Flair als "die rote Perle" Marrakesch. Auch die Straßen verlaufen geradliniger und man hat nicht das Gefühl, sich in dem Gewirr aus Gassen zu verlieren. In den 1960er Jahren war die "Stadt der Winde", wie Essaouira auch genannt wird, Anziehungsort für Künstler aus aller Welt und Sehnsuchtsziel für Hippies und Aussteiger. Und ich verstehe warum. Noch heute hat Essaouira einen besonderen Charme, der zum Träumen verführt. Gerne würde ich mich in eines der niedlichen Cafés am Straßenrand setzen und das bunte Treiben einfach ein bisschen beobachten. Leider ist der Zeitplan straff und kaum richtig angekommen, müssen wir uns schon wieder auf den Rückweg machen.

Weiß und Indigo: Essaouira
Weiß und Indigo: Essaouira

„Wir haben uns blenden lassen von dem warmen, sonnigen Wetter der letzten Tage und kurz vergessen, dass es eben erst Januar ist.“

Das Gefühl zu wenig Zeit zu haben zieht sich durch die ganze Reise. Kein Wunder, denn immerhin haben wir insgesamt auch nur drei Tage vor Ort. Und das, obwohl Marokko eine ganze Welt zum Entdecken bereitzuhalten scheint. Leider durchkreuzen am letzten Tag auch noch heftige Regenschauer unsere Vorhaben. Geplant war ein Ausflug ins Ourika Tal, ein Bergtal auf der Nordseite des Hohen Atlas, nicht weit von Marrakesch entfernt. Bekannt ist das Tal für seine traditionellen Berberdörfer und schönen Wandermöglichkeiten. An eine Wanderung ist an diesem Morgen aber nicht zu denken. Wir schaffen es noch bis zum Anima Garden, dem Landschaftsgarten des österreichischen Multimediakünstlers André Heller. Während wir vorbei an Skulpturen, Wasserspielen und kunstvoll angelegten Beeten über die verschlungenen Pfade spazieren, reißt plötzlich die Wolkendecke über uns auf und verpasst uns eine unwillkommene Dusche. Obwohl sich die Temperaturen auch in den Bergen für die Wintermonate in einem recht hohen Bereich bewegen, fühlen sich 11°C in nassen Klamotten doch schnell richtig eisig an. Zugegeben, es war auch niemand von uns richtig vorbereitet. Eine Regenjacke oder Mütze trägt an diesem Morgen keiner. Wir haben uns blenden lassen von dem warmen, sonnigen Wetter der letzten Tage und kurz vergessen, dass es eben erst Januar ist. Regen und hohe einstellige bis niedrige zweistellige Temperaturen sind im Winter hier eigentlich ganz normal – einer der Gründe, warum wir unseren Kundinnen und Kunden so früh im Jahr noch keine Reise nach Marokko empfehlen würden. Wie ein paar begossene Pudel stapfen wir zurück in den Bus. Nachdem die Heizung uns wieder ein bisschen aufgewärmt hat, kann ich mich zumindest ein bisschen an dem Regen erfreuen. Immerhin ist jeder Niederschlag für das Land überlebenswichtig.

Landschaftsgarten von André Heller: Anima
Landschaftsgarten von André Heller: Anima

Für unsere Abreise am nächsten Tag scheint die Sonne wieder mit voller Kraft, was den Abschied nicht leichter macht. Doch ich hoffe, es bleibt nur ein Abschied auf Zeit. Gerne würde ich im Frühling oder Herbst noch einmal wiederkommen, mindestens für zwei Wochen. Ich möchte die große Moschee in Casablanca sehen, möchte in der halbmondförmigen Bucht von Oualidia im Meer baden. Ich würde gerne sehen, was hinter dem Atlasgebirge liegt, eine Nacht in der Einsamkeit der Wüste verbringen und Zeit haben, mich voll und ganz auf die Vielfalt dieses wunderschönen Landes einzulassen.

Veröffentlicht am Donnerstag, 13. Februar 2025