
Schloss Neuenhagen
Unsere Kollegin Annabelle Walter im Gespräch mit Andreas Unterberger
Von der mittelalterlichen Adelsresidenz zum Getreidespeicher. Von der Ruine zum Kunst B&B. Das ist die Geschichte von Schloss Neuenhagen. Ihr vorerst letztes Kapitel beginnt vor rund 13 Jahren in Berlin. Andreas erzählt mir die Geschichte am Telefon. Ich habe ihn angerufen, weil wir die ruhigen Tage aktuell gerne nutzen, um mehr über die Gastgeber zu erfahren, die wir bisher noch nicht persönlich kennenlernen konnten.
Mit Andreas spreche ich über Schloss Neuenhagen, das für seine Frau und ihn zu einem wahren Herzensprojekt geworden ist.
Vor rund dreizehn Jahren war für Christina und Andreas die Zeit gekommen, ihrem Alltag eine neue Richtung zu geben. Damals leben sie in einer frisch sanierten Wohnung in Berlin. Hinter dem Haus ein kleiner Garten, den sie von Bauschutt und alten Öldosen befreit und in mühsamer Arbeit angelegt haben. Doch jetzt sehnen sie sich nach Abstand von der „städtischen Selbstverständlichkeit“, es zieht sie hinaus aufs Land.

Auch für andere Anlässe bieten die Säle und Räumlichkeiten des Schlosses Platz und die Gastgeber empfinden es als eine besondere Ehre, wenn solch persönliche Festlichkeiten wie Geburtstage oder Hochzeitsjubiläen hier gefeiert werden. Es ist ihnen ein aufrichtiges Bedürfnis, erklärt mir Andreas, dass die Türen für alle Interessierten offen stehen. Dass das Gebäude, als fester Bestandteil des Ortes, „ein großes gemeinschaftliches Projekt“ ist, seine Sanierung sowie seine Nutzung Chancen zur Partizipation bieten. Dafür sorgt ein stetiger Austausch zwischen Gastgebern und Gästen, die sich als Freunde auf Augenhöhe unterhalten.

Als Fotografin unterhält Christina schon länger eine eigene Galerie, die auch unterschiedlichen kulturellen Events einen Raum bietet. Es entsteht der Wunsch, einen solchen Ort abseits des Trubels der Hauptstadt zu schaffen, einen Ort der Kunst und Kultur. Und der Gastfreundschaft. In der Vorstellung manifestiert sich eine Galerie mit angeschlossenem Café. Hier möchten sie die Besucher nicht nur mit Werken der Beaux-Arts sondern auch mit selbst gebackenem Kuchen erfreuen.
Das Schloss ist das Zuhause von Christina, Andreas und ihren Kindern; das Reich ihrer vierbeinigen Familienmitglieder. Doch die zukünftigen Kapitel des historischen Gebäudes erzählen Bewohner und Besucher gemeinsam weiter.
Dieser Wunsch führt die beiden auf eine dreijährige Suche durch das ganze Land. Sie führt nach Thüringen und Sachsen, zu Gartenlauben, in verlassene Herrenhäuser und alte Scheunen. Immer wieder stellen die beiden sich die Frage „Könnten wir hier den Rest unseres Lebens verbringen?“. Immer wieder lautet die Antwort „Nein“. Das Gefühl stimmt einfach nicht. Schließlich führt sie die Suche zurück in die Nähe Berlins. Zum Schloss Neuenhagen in Brandenburg.
Die Restaurierung wird zu einem Prozess, der bis heute andauert. Immer wieder steht das Paar währenddessen vor der Herausforderung, sich mit dem Unperfekten auseinanderzusetzen und die eigentümliche Schönheit der vermeintlichen Makel schätzen zu lernen. Zur erträumten Galerie mit Café kommen Gästezimmer hinzu.

Die Überlegungen zu Funktion und Gestaltung der einzelnen Räume nehmen oft mehrere Jahre in Anspruch. Die ursprüngliche Vision unterliegt dabei einem stetigen Wandel - auch durch Impulse von Außen. So war die Schlosskapelle, die noch auf den Vorgängerbau zurückgeht und mit Kreuzrippengewölbe und Stuckarbeiten der Spätrenaissance bezaubert, eigentlich als ein Teil des Cafés geplant. „Es haben uns dann aber immer wieder Gäste, gerade jüngere Paare, darauf angesprochen, ob es nicht möglich wäre, auf Schloss Neuenhagen zu heiraten.“ So wurde die Kapelle schließlich zur Hochzeitskapelle und zu einer Außenstelle des Standesamtes.
Ihr Weg führt sie zum ersten Mal im Winter her. Das Gebäude ist in einem desaströsen Zustand. Andreas muss Christina erst dazu überreden, überhaupt aus dem Auto auszusteigen. Er möchte der eingeschneiten Ruine zumindest eine Chance geben. Nach einem vorsichtigen Blick durch die Fenster willigt Christina ein, mit dem Makler eine Besichtigung von innen zu verabreden.

Erbaut im 16. Jahrhundert vom Adelsgeschlecht derer von Uchtenhagen, und mit Vorgängerbauten aus dem 13. Jahrhundert, handelt es sich um das älteste aller Schlösser in der grünen Flussauenlandschaft des Oderbruch.
Das Bild, das sich im Innenraum bietet, ist kaum vielversprechender. Geplatzte Rohrleitungen haben dazu geführt, dass Eisblumen die Wände und Decken zieren. Auch die pragmatische Nutzung in Zeiten der DDR, als Getreidelager, Waschhaus und später als Hort, hat Spuren hinterlassen. Mittlerweile hat Andreas die Hoffnung aufgegeben. Kurz bevor sie die Haustür erreichen, wendet sich Christina Andreas zu: „Irgendwie fühle ich mich hier wie Zuhause.“ Ihr Gefühl wird zum Zünglein an der Waage.
Wie ein Gast es viele Jahre später mal treffend formulieren soll, beginnt für das Paar nun eine neue Lebensphase. „Raus aus der Komfortzone und hinein in eine Entwicklungszone.“ Als Pioniere wagen sie sich in eine Gegend, die zwar bauhistorisch und kulturell interessant, touristisch jedoch kaum erschlossen ist.
