
Das erste Mal sind wir mit dem Auto nach Namibia gefahren. Wir wohnten in Südafrika, das uns mit seiner Vielfalt schier überwältigte. Südafrika war wie die ganze Welt in einem Land. Es war kaum möglich, dass Namibia das noch toppen würde. Und dennoch war es so. Namibia war nicht wie die Welt, sondern wie ein ferner Planet.
Denke ich daran zurück, fällt mir als Erstes die Stille ein. So still ist es, dass man meint, den Käfer zu hören, der sich am Kot der Antilope zu schaffen macht. So still, dass man den Oryx in der Ferne atmen hört, der einen lautlos fixiert, bevor er dann unvermittelt davonstiebt. So still, dass man alles hört, sogar den uralten Köcherbaum. Stumm reckt er seine Zweige gen Himmel, als wolle er den Menschen sagen, wie klein sie sind und wie groß die Ewigkeit.
Wie ein ferner Planet, so ist Namibia vor allem nachts. Wenn sich ein gleißender Sternenhimmel über das leere Land ergießt. Kugelgroße Himmelskörper funkeln zwischen milchigen Bändern. So viele sind sie, dass man die Orientierung verlöre ohne das Kreuz des Südens. Wie ein gigantischer Uhrzeiger umkreist das Sternbild den Südpol. Es gibt zauberhafte Lodges in Namibia – doch nirgends übernachtet man so eindrucksvoll wie unter freiem Himmel.

Denke ich an Namibia, fallen mir die Farben ein: kraftvoll und rein, ohne Schattierungen und Zwischentöne. Blauschimmernde Berge, helle Lehmsenken, in denen grüne Bänder unterirdische Wasseradern andeuten. Orange leuchtende Dünen, die in der Morgensonne eine unwirkliche Pracht entfalten. Oder Etosha: Der „große weiße Platz“, wie die Ureinwohner die Salzpfanne nannten, ist ein magischer Ort, den man eher auf dem Mars vermuten würde.

Je länger ich nachdenke, desto mehr kommt mir in den Sinn: Die unendlich lange Skelettküste, die bei Seefahrern vergangener Zeiten gefürchtet war. Wer in den tückischen Strömungen des südlichen Atlantiks kenterte und glücklich dem kalten, tosenden Meer entronnen war, verdurstete unweigerlich in einer der trockensten Wüsten der Welt. Oder Swakopmund, die deutscheste Stadt auf der Südhalbkugel der Erde, wo es Leberwurst, Brezeln und Hofbräu vom Fass gibt. Oder die Gastfreundlichkeit der Farmer, die ihre Familiengeschichte noch auf Deutsch erzählen, obwohl ihre Vorfahren schon vor fünf Generationen ausgewandert sind. Oder die Wassertümpel der Nationalparks, wo sich die wilden Tiere treffen. Dort geht es zu wie in einer Kneipe nach Mitternacht: Es wird gerempelt und gedroht, provoziert und geblufft, aber auch gebadet und Party gemacht.
Denk ich an Namibia, dann weiß ich eins: Ich muss da noch mal hin!