
Klein, oval und ein wenig kurios – so lässt sich das Nationaltier Neuseelands beschreiben. Kiwis zählen zu den Laufvögeln. Weltweit sind sie die kleinsten Vertreter dieser Ordnung. So werden sie in der Regel gerade einmal zwischen 35 und 50 Zentimeter groß und bis zu vier Kilogramm schwer. Ihr braunes Gefieder ähnelt einem zotteligen Fell. Die Flügel sind mit nur fünf Zentimetern Länge eher Stummel, zudem fehlt der Brustbeinkamm und damit die nötige Flugmuskulatur. Somit ist der Kiwi flugunfähig. Ob der Kiwi jemals fliegen konnte oder nicht, ist unter Biologen umstritten. Laut einer Maori-Legende verlor der Kiwi seine Flügel aufgrund seiner Tapferkeit.

Es heißt, eines Tages machte Tāne-mahuta, der Gott des Waldes, einen Spaziergang. Während er so durch das Dickicht schritt, blickte er die Bäume an, die sich rundherum gen Himmel reckten. Da stellte er erschrocken fest, dass die Bäume zerfressen von Käfern waren und kränkelten. Große Besorgnis überkam ihn und so sprach er zugleich mit seinem Bruder Tāne-hokahoka, der daraufhin seine Kinder, die Vögel, zusammenrief.
Er bat sie, einen nach dem anderen, aus den Baumkronen auf den Waldboden hinabzukommen, um fortan die Bäume und damit ihre Heimat vor der Insektenplage zu schützen. Einer nach dem anderen lehnte die Bitte ab. Einer sagte, der Boden sei ihm zu dunkel und zu unheimlich, ein anderer sagte, der Boden sei ihm zu nass. Wieder ein anderer gab an, zu beschäftigt mit dem Nestbau zu sein.
Schließlich war der Kiwi an der Reihe und wurde gefragt, ob er auf den Boden kommen werde. Der Kiwi schaute sich um, blickte von der Sonne zum kalten, dunklen Grund, blickte zu seiner Familie. Schließlich antwortete er "Ja, das werde ich".
Tāne-hokahoka fühlte große Erleichterung, wusste jedoch auch, dass er den Kiwi vor den Folgen seiner Entscheidung warnen musste. So erklärte er ihm, dass, würde er einmal auf dem Boden leben, es keinen Weg mehr zurück in den Himmel geben werde. Er würde sein buntes Federkleid und seine Flügel verlieren. Stattdessen würden ihm starke Beine wachsen, mit denen er durch das Unterholz schreiten könne. Und er fragte ihn noch einmal, ob er, sich nun des Preises bewusst, immer noch bereit sei, hinunter auf den Boden zu kommen. Der Kiwi schaute sich noch einmal um, blickte ein letztes Mal zur Sonne, deren Licht durch das Blätterdach fiel "Ja, das bin ich".
Verärgert von den Ausreden der anderen Vögel verurteilte Tāne-hokahoka jeden zu einer entsprechenden Strafe.
Gerührt aber von dem großen Opfer, das der Kiwi gebracht hatte, versprach er ihm "Du, Kiwi, wirst für deine Tapferkeit der bekannteste und beliebteste Vogel von allen werden".
Und tatsächlich erfreut sich der Kiwi größter Beliebtheit. Man ist in Neuseeland sogar so stolz auf ihn, dass die Einwohner des Inselstaates ihren Spitznamen von ihm ableiten und sich selbst als Kiwis bezeichnen.

Allerdings bekommt man den kleinen Helden aus der Sage nur noch selten zu Gesicht. Besonders durch die von Menschen eingeschleppten Raubtiere wie Possums und Marder geht eine große Gefahr für den nachtaktiven Kiwi aus, der, auf dem Boden lebend, leichte Beute ist. Aber auch viele andere Vogelarten sind durch die Veränderungen des Ökosystems bedroht. Rund 80% der heimischen Arten gelten mittlerweile als gefährdet. Ursprünglich gab es, abgesehen von einigen Fledermausarten keine Säugetiere auf der Insel. Aus diesem Grund gibt es bei den Vögeln keine evolutionär entwickelten Verhaltensweisen zum Schutz vor den neuen Fressfeinden. Mittlerweile gibt es überall im Land groß angelegte Projekte zum Schutz der heimischen Vogelwelt. Die Maßnahmen sind radikal, der Umfang kaum zu überblicken. Allerdings konnten hier und da bereits erste Erfolge erzielt werden und so ist der Ruf des Kiwi in einigen Wäldern wieder zu hören.